Eine Gemeinschaft aus Rechtsstaaten kann nur eine Rechtsgemeinschaft sein . Wie treffend und weitsichtig diese Einschatzung des ersten Kommissionsprasidenten, Walter Hallstein, bereits seinerzeit war und wie aktuell sie auch heute noch ist, zeigt sich nicht zuletzt in dem stetig wachsenden und immer tiefer in die nationalstaatlichen Rechtsordnungen einwirkenden Bestand an Gemeinschaftsrecht. Viel wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass das europaische Recht inzwischen selbst zu einem entscheidenden Faktor der Einigung Europas geworden ist. Es ist ein eigenstandiger Kontext der Integration und darf keinesfalls als blosses Beiprodukt der politischen Einigung Europas aufgefasst werden. Ebenso wenig lasst sich der Europaische Gerichtshof (EuGH) als ein interessengeleiteter oder sogar integrationspolitisch aktiver Akteur begreifen, auch wenn der Institution und seinen Vertretern entsprechende Motive regelmassig nachgesagt werden. Denn obgleich der EuGH die Integration Europas zweifelsohne durch seine Rechtsprechung immer wieder wesentlich vorangetrieben hat, ist er ein Akteur des Rechts und nicht der Politik. Wer die Integration durch Recht und die Rolle des EuGH im Integrationsprozess wirklich verstehen will, so die zentrale These dieses Buches, muss sich mit dem europaischen Rechtskontext und der ihm immanenten Rationalitat auseinandersetzen. Ausgehend von den Arbeiten Max Webers und Ludwig Wittgensteins wird mit dem Konzept der Kontextrationalitat ein neuer analytischer Weg fur die theoriegeleitete Integrationsforschung aufgezeigt - jenseits der Rationalismus-Poststrukturalismus-Kontroverse. Anhand von aktuellen Fallstudien zum europarechtlichen Grundrechtsschutz nach dem Constitutional Compromise , werden die Moeglichkeiten, Grenzen und Perspektiven der Integration durch Recht in Europa beleuchtet.